Nachdem wir nun 3 anstrengende, jedoch produktive Wochen hinter uns gebracht haben möchte ich mal wieder ein bissel aus dem Nähkästchen plaudern.
Es scheint so langsam Frühling zu werden. Endlich. Wo es vor ca. 4 Wochen um 7 Uhr abends noch unerträgliche -10C° hatte, ist das Thermometer inzwischen schon auf satte 2C° geklettert was sich natürlich auch positiv auf das Wohlbefinden niderschlägt. Wir arbeiten nach wie vor im IBC, und sind inzwischen bereits mit den oberen Stöcken weitestgehend fertig. Seit dieser Woche ziehen wir nun jede Menge Kabel vom Keller ins Erdgeschoß, damit auch dort sämtliche Broadcaster mit Videosignalen ausgestattet sind. Vorraussichtlich werden wir bis mitte März damit beschäftigt sein. Dann gehts endlich auf die Veranstaltungsstätten (Venues). Für einige von uns ist der Abschluß im IBC momentan ein Lichtblick am Horizont, da der konstante Staub, Lärm und die kälte physisch und psychisch seinen Tribut zollt. Arbeitsausfälle sind momentan die Norm, was letztendlich auch wenig verwundert.
Mit unseren chinesischen Arbeitskollegen hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten eine durchaus produktive Zusammenarbeit entwickelt. Da manche von ihnen noch ziemlich jung (zwischen 18 und 23) und unerfahren sind, hat es seine Zeit gedauert, bis sie sich an die Arbeit (und das teils etwas rauhe Temperament in unserer Crew) gewöhnt haben. Inzwischen versucht man sich auch soweit möglich ein bissel besser kennen zu lernen. Oftmals mit Händen und Füßen, da nur 2 unserer 8 chinesischen Helfer englisch sprechen. Jedenfalls sehr interresant zu erfahren wie z.B. die Arbeitssituation chinesischer Wanderarbeiter oder patriarchale Strukturen auf dem Land wahrgenommen werden. Insgesamt scheint es ohne Mandarinkentnisse jedoch schwierig zu sein an derartige Informationen zu kommen. Empfehlenswert ist hierzu das buch "Das andere China" von Andreas Lorenz und Jutta Lietsch. 2 Deutsche Journalisten, die seit mehreren jahren in China leben und reisen.
Unser Feierabend ist derzeit nicht sonderlich abwechslungsreich. Durch unsere langen Arbeitszeiten sind wir abends oftmals so müde, daß wir es meistens noch ins nahegelegene Hutong schaffen, etwas spachteln, um uns anschließend mit vollem Bauch zuhause aufs Sofa zu schwingen und bei televisaler Berieselung vor uns hinzudämmern. Auch zum Chinesischen Frühlingsfest haben wir es (leider) nicht geschafft unseren allerwertesten vor die Tür zu bewegen. Mit der Gewissheit am nächsten morgen um halb 7 aufstehen zu müssen feiert es sich einfach nicht so entspannt. Anstatt dessen haben wir uns das imposante Feuerwerk dann vom Balkon aus angeschaut. War auch schön.
Letztes Wochenende und heute war ich mit Käthe im 798. Einem szenigen Gallerieviertel ganz in unserer Nähe. Der riesige, alte Fabrikkomplex bietet Raum für unzählige Künstler, Galeristen, Ateliers und Kunsthandlungen aller Metiers. Überraschenderweise findet hier (teils offensichtlich, teils subtil) auch kritische Auseinandersetzung mit chinesischer Politik und deren Interpretation von Kommunismus statt. Eine Art Insel inmitten des turbokapitalistischen Pekinger Treibens. Stencils, Cutouts und Pieces: im Rest der Stadt undenkbar rufen sie hier kleine Erinnerungen und Assoziationen an Berlin wach. Schön zu sehen, daß hier nicht alles so linientreu und rein "profitorientiert" Abläuft wie auf den ersten Blick wahrgenommen.